„Eine examinierte Pflegeausbildung ist fast schon eine Jobgarantie!“

25. November 2016 | Von | Kategorie: Aktuell

Interview mit Detlev Becker, Geschäftsführer EWEDO GmbH und Projektleiter „Futurum NRW“

Detlev Becker3//Interview: Dr. Gürsel Capanoglu//

Detlev, kannst du etwas über dich sagen? Was machst du in dem Projekt Futurum, welche Position hast du?

Ich mache vor allen Dingen die Projektleitung. Und versuche alles, das was wir in dem Vorläuferprojekt Mellon+ entwickelt haben, im Futurum mit zu nutzen. Wir arbeiten bereits seit vielen Jahren in diesem Bereich Gesundheit und Pflege. Gerade auch für Migranten. Eigentlich ist es eine Folge von Arbeitsschritten, die wir von Projekt zu Projekt weiterentwickeln

Wo habt ihr den Bedarf in der Gesellschaft gesehen, so dass ihr dieses Projekt entwickelt habt?

Zum einen gibt es Bedarf daran, die Pflege und Gesundheitsdienstleistungen Migranten näher bringen, dafür Sorge zu tragen, dass auch Migranten an Pflegedienstleistungen partizipieren. Das ist bisher nicht der Fall. Also die Belegungszahlen in den Seniorenwohnsitzen und den anderen Angeboten der Seniorenarbeit sagen einfach, dass Migranten da nicht genügend teilnehmen. Migranten werden auch älter in Deutschland. Gemessen an dem Anteil der älteren Migranten sind viel zu wenig  in Pflegedienstleistungen.

Kommt es zu einer Entwicklung der Kultursensibilisierung in den Pflegeberufen?

Ein zweiter Bereich ist der Arbeitsmarkt in Pflege und Gesundheit. Der ist für entsprechende Menschen ein interessanter Arbeitsmarkt, weil es da eben Aufstiegsmöglichkeiten gibt.  Und interessant wird er dadurch, dass schrittweise mehr Migranten Pflegedienstleistungen in Anspruch nehmen werden. Das entwickelt sich gerade.

Was macht ihr genau in diesem Projekt?

Wir versuchen auf der einen Seite Menschen mit Migrationshintergrund anzusprechen, die noch gar nicht wissen, welchen Beruf sie ausüben sollen. Wir bieten ganz niederschwellig verschiedene Aktivitäten an, um diese Menschen an Ausbildung in Pflege und Gesundheit heranzuführen.

Gibt es auch die Möglichkeit für diese Migranten in diesem Bereich Karriere zu machen?

Das ist ja schon so, dass Migranten Wohngruppenleitungen oder Pflegedienstleitungen übernehmen. Das entwickelt sich gerade.

Gibt es auch die Möglichkeit später zu studieren, wenn man mehrere Jahre beschäftigt war?

Selbstverständlich!  Praktiker können an der Hochschule für Gesundheit studieren, um z.B. dann eine Hausleitung zu übernehmen.

In der Migrantencommunity gibt es negative Meinungen über Pflegeberufe. Muss man daher nicht viele Kampagnen organisieren, um die Meinungen zu verändern?

Der Beruf ist sowohl bei den Deutschen als auch bei Migranten nicht sehr gut angesehen. Der wird häufig damit beschrieben, den alten Menschen den Hintern sauber zu machen. Das ist so die Standardantwort: „Das mache ich nicht gerne! Das will ich nicht!“ Die Informationen über den Beruf, wie erfüllend, wie interessant auch und wie schön dieser Beruf sein kann, findet viel zu wenig statt. Deswegen versuchen wir auch immer wieder die Menschen in die Einrichtungen rein zu bringen, ein Orientierungspraktikum zu vereinbaren, dass sie einmal vor Ort sehen, wie der Beruf funktioniert. Die Menschen, die das gut finden und die sich auch dort gut fühlen, denen helfen wir eine entsprechende Ausbildung zu finden.

Kannst du uns zu den positiven Seiten des Berufes etwas erzählen?

Da können wir nur das wiedergeben, was uns die Menschen schildern, die dort arbeiten. Es kommt immer wieder das Argument, wie schön es ist mit Menschen zu arbeiten, die Dankbarkeit, die Empathie der Senioren und Seniorinnen zu erleben und sich weiter zu entwickeln.

Ist dieser Bereich ein sicherer Arbeitsplatz für die Zukunft?

Eine examinierte Pflegeausbildung  ist fast schon eine Jobgarantie, weil der Bedarf an solchen Arbeitskräften steigt. Wir haben demografischen Wandel. Immer mehr Menschen werden immer älter. Die Migranten werden älter, die Deutschen werden älter. Es wird einfach viel mehr zu pflegende Menschen geben.

Werden dann die Muttersprachlichen Pflegekräfte immer wichtiger?

Ja, wenn Migranten das Angebot Pflege mehr in Anspruch nehmen, wird es sehr wichtig sein, Beschäftigte zu haben, die die Muttersprache sprechen. Besonders wichtig wird es sein bei Menschen, die dementiell erkranken, weil sie im Zuge der Erkrankung wieder in ihre Muttersprache falle, Deutschkenntnisse vergessen und andere Sprachen vergessen, sich fast nur noch ausschließlich in ihrer Muttersprache verständigen.

Zu eurem Angebot der Betreuungsassistenz-Ausbildung:  wenn die TeilnehmerInnen die Fortbildung gemacht haben, helft ihr ihnen eine Arbeitsstelle zu finden?

Also unser Angebot beinhaltet auch den niederschwelli
gen Einstieg, wir geben Berufsorientierung, wir führen Praktika in den Einrichtungen durch. Wir sorgen dafür, dass die Finanzierung für solch eine Ausbildung der Betreuungsassistenz bereitgestellt wird. Wir kümmern uns auch darum, entweder in weitergehende Ausbildung zu kommen oder in entsprechende Beschäftigung.

Als letztes – möchtest du etwas Abschließendes über das Futurum-Projekt erzählen?

Ein ganz wichtiger Punkt ist die Arbeit mit den Betrieben. Das machen wir auch im Futurum. Die Betriebe haben grundsätzlich ein Interesse, ihr Angebot kultursensibel aufzustellen, haben auch grundsätzlich Interesse, auf Menschen oder auf Senioren mit Migrationshintergrund zuzugehen. Sie wissen aber nicht, wie man das macht. Da helfen wir den Senioreneinrichtungen, auf die Communities zuzugehen, in Kommunikation zu kommen, damit die Migranten das Angebot auch wahr nehmen, dass sie überhaupt ein Interesse haben, dass die Eintrittsbarrieren für dieses Angebot niedriger werden.

Vielen Dank für das Interview!

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