Interkulturelle Öffnung der Altenpflege

22. November 2015 | Von | Kategorie: Aktuell

in.öff.Dr. Gürsel Capanoglu//

Die Bedeutung interkultureller Kompetenzen/Wissen soll hier gleich zu Beginn mit dem Beispiel einer typischen Situation aus dem Alltag einer Kranken- bzw. Pflegeeinrichtung beschrieben werden. Sie zeigt, dass sich das interkulturelle Wissen und das Bild einer Erkrankung bei Migrantinnen und Migranten und Einheimischen voneinander unterscheiden. So sind insbesonders türkischstämmige Migrantinnen und Migranten sehr schmerzempfindlich (Morbus Bosperus oder Morbus Mediterranee), ein Phänomen, das von deutschen Krankenschwestern /Altenpflegern manchmal nicht gesehen, bzw. für unwichtig gehalten wird. Auch der türkische Patient ist sich in diesem Fall oft nicht darüber im Klaren, dass es bezüglich seines Schmerzempfindens ein anderes Verständnis geben könnte. Patienten und auch dem Pflegepersonal fehlt an dieser Stelle an interkulturellem Wissen.

Es ist wichtig die unterschiedlichen Bedürfnisse „ausländischer Patienten/Bewohner“ in den Einrichtungen/Stationen zu kennen und darauf einzugehen. Sprachbarrieren, unterschiedliche Erklärungsmuster hinsichtlich Gesundheit und Krankheit, unbekannte Verhaltensmuster, unterschiedliche Sozialisation im Herkunftsland und in Deutschland, Missverständnisse zwischen Patient/Bewohner und Pflegenden/Ärzten führen zu Stereotypisierungen/Vorurteilen/Diskriminierungen.

Im Folgenden werden Lösungsansätze vorgestellt:

Transkulturelle Pflege: Ein wissenschaftlich fundiertes und humanistisches Gesamtkonzept für kulturspezifische Pflegepraktiken muss konzipiert werden, welches sich auf vergleichende Studien und Analysen verschiedener Kulturen und Subkulturen in der Welt im Hinblick auf ihr Pflegeverhalten, Pflege, Gesundheits-/Krankheitswerte, Meinungen und Verhaltensmuster konzentriert.

Kultursensible Pflege: Das Pflegepersonal soll über Eigenverantwortung, soziale Kompetenz und Toleranz verfügen. Dabei soll die Pflegekraft zwischen Kultur, Religion und Nationalität unterscheiden können.

Interkulturelle Kompetenz: Um erfolgreich arbeiten zu können ist eine angemessene Interaktion mit Individuen und Gruppen anderer Kulturen bzw. die Fähigkeit zum beidseitig zufriedenstellenden Umgang mit Menschen unterschiedlicher kultureller Orientierung notwendig.

Folgende Kritikpunkte wurden an den bisher praktizierten Modellen thematisiert:

– Viele Pflegeeinrichtungen sind ethnozentristisch, d.h. sie orientieren sich oft nur an bestimmten einzelnen Kriterien, z.B. dass es kein Schweinefleisch für Muslime gibt. Interkulturelle Öffnung bedeutet aber darüber hinaus, dass Normen und Werte der unterschiedlichen Migranten-Comunities bekannt sind, berücksichtigt werden und dass im Gegenzug die Normen und Werte der anderen, einschließlich der deutschen, Mitbewohner/Patienten/Personal gekannt und respektiert werden. Zur Zeit ist es so, dass dieser Ansatz nur eine geringe Berücksichtigung erfährt.

Die interkulturelle Öffnung trägt dazu bei, Barrieren abzubauen, Teilhabe zu sichern, eine produktive Gesamtatmosphäre zu schaffen, sowie Anerkennung, Wertschätzung und Gleichbehandlung zu vermitteln.

Um diese Ziele zu erreichen sollten auch mehrsprachige Mitarbeiter mit Migrationshintergrund eingestellt werden. Alle Mitarbeiter müssen kontinuierlich geschult und weitergebildet werden und QS Indikatoren eingeführt werden. Die kulturellen Aspekte sollten in der Fort – Aus – und Weiterbildung aller Mitarbeiter integriert werden. Neue interkulturelle Handlungskonzepte müssen konzipiert werden, dazu gehört u.a. die Einbeziehung von Zielgruppen im Stadtteil / Kooperationen mit Migrantenorganisationen.

Dazu noch einmal ein Praxisbeispiel: In einer Pflegeeinrichtung in Schilderbuurt, Den Haag, beträgt der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund mehr als 65 % und auch das Personal kommt aus vielen unterschiedlichen Kulturkreisen. Die Einrichtung hat 15 Tages- und 120 Kurz-und Langzeitpflegeplätze. 70% der Bewohner sind weiblich, 30% männlich. Menschen verschiedener Religionen leben in der Einrichtung zusammen, 50% Christen, 21% Hindus, 8% Muslime. Zu 33% werden regelmäßig Mahlzeiten und Pflegetätigkeiten wie Duschen, allgemeine Versorgung durch Familienangehörige organisiert.

Resümierend kann festgehalten werden, dass im Diversity Management hohe Potentiale liegen. Der Einsatz von Migrantinnen und Migranten als Pflegepersonal in den Einrichtungen öffnet den Zugang zu anderen Kundengruppen und macht neue Angebote, andere Formen der Angehörigenarbeit und eine neue Qualität der Altenpflege möglich.

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